Es tat Babe in der Seele weh, hilflos zuschauen zu müssen, wie Kjaskar von den Barbaren geschlagen und erniedrigt wurde. Um sich selbst hatte sie dabei weniger Angst, denn sollte nur einer ihrer Peiniger den Fehler machen, sie losbinden zu wollen, würde er das gleich zu bereuen wissen. Und er würde ihr zumindest ihre Beine von den Fesseln befreien müssen, sollte er seinen Drohungen wahr machen wollen. Sie ließ deshalb stumm den Spott der Männer über sich ergehen, während ihre Augen wütend zu funkeln begannen. Erst als sie zusehen musste, wie sich der riesige Wolf auf Kjaskar stürzte, stöhnte sie leise und unterdrückt auf. Es war ihr bei all den sich überschlagenden Ereignissen jedoch nicht entgangen, dass ihr Kjaskar einen Dolch zugeworfen hatte - genau in dem Moment, in dem sich der Wolf ihn unter sich begrub.
Die Barbaren waren vom stattfindenden Kampf abgelenkt, so dass sich die Kriegerin blitzschnell den Dolch schnappte und ihre Füße freiband. Anschließen drehte sie den Dolch so, dass seine Klinge nach oben zeigte und sie ihre Bänder um ihre Handgelenke durchtrennen konnte.
Einige Meter neben ihr knurrte der Wolf über Kjaskar, während seine Kiefer hörbar auf und zuklappten. Die Männer, die um die Kämpfenden herumstanden, begannen daraufhin vor Begeisterung zu gröhlen, keiner achtete mehr auf die Frau, die hinter ihnen auf dem Boden lag. Babe sprang deshalb geschmeidig auf, um gleich darauf zu einem der Männer zu hechten, der eine gewaltige Axt locker in der Hand hielt. Sie entriss sie ihm und bevor er noch reagieren konnte, sprang Babe über den Wolf, hieb ihm mit der Axt mit all ihrer Kraft in die Rippen. Der Wolf wurde daraufhin von der Wucht des Schlages angehoben und flog zu Seite. Ein wütender Schrei Babes begleitete den Tod des Wolfes, der dumpf auf dem Boden aufschlug.
Tumult entstand. Der Wolf jaulte ein letztes Mal und blieb dann mit einer Wunde, die ihn fast spaltete, auf dem Boden liegen. Gromm brüllte auf und sprang auf sie zu, so dass Babe instinktiv herumfuhr, die Axt zum Schlag erhoben und bereit, sie dem Anführer in den Schädel zu treiben.
Wollen doch mal sehen, wer hier spielt..." knurrte die Kriegerin, Gromm einen finsteren Blick zuwerfend und mit zum Schlag bereiter Axt.. "Komm du nur, wenn du es mit jemanden aufnehmen kannst, der lieber selbst kämpft, als ein Tier vorzuschicken."
Der Barbar blieb abrupt stehen. Ein Grinsen bahnte sich über sein Gesicht, er verzog die Lippen und entblößten seine schwarzen Zähne.
"Ach..." ließ er mit einem leisen und höhnischen Lachen vernehmen. "Weib will auch spielen, ja? Das kann sie haben."
Immer noch grinsend winkte Gromm seine Männer zur Seite. "Wir spielen um Blondling. Wenn du mich besiegen, du ihn kannst haben. Wenn nicht, macht das auch nichts, denn dann du bist tot."
Babe spie ihm vor die Füße. Ihre Locken flogen ihr um den Kopf, als sie anschließend heftig nickte. "Was denkst du denn, wen du vor dir hast." knurrte sie wieder. "Ich bin schon mit ganz anderen Großmäulern fertig geworden."
Dass sie damals jünger gewesen war und eine Waffe trug, die ihr weitaus mehr lag als eine Barbarenaxt, verschwieg die Kriegerin, zumal Kjaskar neben ihr unter Schmerzen aufstöhnte. Babe warf ihm einen knappen Blick zu, konnte aber nur erkennen, dass er blutüberströmt und regunglos am Boden lag. Blut klebte in seinen blonden Haaren, durchnässten sein Hemd und sickerte neben ihm zu Boden. Der Wolf musste ihn schwer erwischt haben. Einen Moment lang fragte sie sich, ob er ihr zutraute, gegen Gromm einen Sieg zu erlangen und sie vermutete, wenn er richtig bei Besinnung wäre, würde er aufstehen und ihren Platz einnehmen wollen. Sie musste sich deshalb beeilen, bevor der Thorwaler erkannte, was sie im Schilde führte, weshalb sie sich wieder zu Gromm wandte.
"Schnapp dir deine Axt und zeig mir, was du kannst," versuchte sie ihn herauszufordern. "Oder gehörst du zu den Feiglingen, die sich noch nie gegen eine Frau gestellt haben?"
Auf Gromms Gesicht zeigte sich erst Unglauben, dann Wut. Seine Männer um ihn herum lachten dagegen leise auf, was er als Herausforderung zu empfinden schien. "Ich stopfe dir dein vorlautes Maul, Weib!" rief er ihr im unterdrückten Zorn zu. "Und dann ich werde dich den Wölfen zum Fraß..."
Weiter kam er mit seinen Drohungen nicht, denn Babe ließ Gromm nicht aussprechen. Sie sprang auf ihn zu, die Axt auf ihn zuschwingend. Dieser parierte mit einem erstaunten Rufen, ließ seine Axt gegen ihren Holm krachen, was sie selbst zurücktaumeln ließ.
Gromms Männer ließen ein Raunen hören, alle traten hektisch einen Schritt zurück, um nicht in die Reichweite der Äxte zu gelangen. Babe, in der sich Wut und Schmerz gepaart hatte, ließ Gromm wiederum keine Zeit, einen Schlag zu führen - sie sprang an ihn vorbei, führte die Axt von unten nach oben und trieb ihm das Blatt in die in den Brustkorb.
Blut spritzte ihr entgegen, was Gromm mit einem Brüllen kommentierte. Bevor Babe aber einen weiteren Schlag nachsetzen konnte, streckte Gromm einen Arm nach ihr aus und griff nach ihrer Kehle. Babe hing nun am Ende seines Armes, während Gromm zuzudrücken begann, gewillt, ihr den Lebensatem aus dem Körper zu pressen. Schweiß stand ihm auf der Stirn und sein Gesicht zeigte eine Blässe, die eben noch nicht dagewesen war. Es war ihm deutlich anzusehen, dass sie ihn schwer getroffen hatte.
Nun aber kam Leben in Kjaskar. Er musste seine Sinne wiedererlangt haben, denn er stand auf, wankte nur kurz und sprang dann auf Gromm zu, um ihn von hinten einen Arm um die Kehle zu legen.
"Bei Swafnir.." flüsterte er Gromm ins Ohr. "Jetzt bist du ein toter Mann."
Der Thorwaler legte eine Hand an die Wange von Gromm und machte mit dem Arm eine kurze Seitwärtsbewegung. Ein leises Knacken erklang.
Babe spürte, wie die Hand um ihren Hals locker wurde. Wie auch Gromm im Arm von Kjaskar erschlaffte, bis er tot zu Boden fiel.
In der Höhle war es einen Moment lang still. Gebannt und Fassungslos hatten die Männer dem Kampf zugesehen, wobei selbst die Wölfe die Spannung erkannt hatten und unruhig hin und herliefen. Nun aber brach die Spannung durch, jeder von ihnen griff zu seiner Waffe, bereit, den Tod des Anführers zu rächen.
In der selben Minute griff Kjaskar zu Gromms Axt. Immer noch lief sein Blut an ihm herab, was aber nicht über die Wut in seinen Augen hinwegtäuschen konnte.
Babe, die hinter ihm stand, atmete schwer vor Anstrengung und Atemnot. Es hatte nicht viel gefehlt, und Gromm hätte für immer die Luft zum Atmen genommen. "Das schaffen wir..."keuchte sie Kjaskar zu, in dem Versuch, ihn aufzumuntern. "Wäre ja nicht das erste Mal..."
"Das Wohl..." knurrte Kjaskar, seine Axt schwingend. "Aber jetzt räumen wir hier auf."
Es folgte ein harter und langer Kampf. Kjaskar nahm sich die Männer vor, während Babe sich auf die Wölfe konzentrierte. Wolfsblut mischte sich mit dem der Menschen. Gromms Axt blitzte dagegen mit jedem Schlag in dem seltsamen Licht der Höhle auf, während sie in den Armen und Rippen der Männer wütete. Ruhe kehrte erst dann ein, bis keiner der Barbaren irgend eine Art von Gegenwehr leisten konnte.
Wieder herrschte Stille in der Höhle, die nur von dem Plätschern des Wassers unterbrochen wurde. Ausgepumpt und kraftlos fiel Kjaskar auf die Knie, die Hände auf den Boden gestüzt und einen Ton ausstoßend, wie Babe es noch nie von ihm gehört hatte. Aber auch sie war am Ende ihrer Kräfte, ihre Wunden, ihre Gliedmaßen und ihre Seele schmerzten von der überstandenen Pein.
Babe sank neben dem Thorwaler nieder, nahm ihn in den Arm und hielt ihn minutenlang fest. Worte bedurfte es nicht - im Gegenteil, nun wäre jeder gesprochene Laut zuviel.
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